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Nach der Osterweiterung: Die erweiterte EU im Alltag

Quelle: Bild von Elionas2 auf Pixabay

Europa in Feierlaune: die Sektkorken knallen von Riga bis Nikosia - untermalt von Ludwig van Beethovens "Ode an die Freude". Für 74 Millionen Menschen in den zehn EU-Beitrittsstaaten bedeutete der 1. Mai 2004 den offiziellen Start in eine neue Epoche. Doch ein Jahr nach dem "Völkerfrühling" bleiben ersten Jahrestag der EU-Osterweiterung die Musikinstrumente und der Champagner im Schrank - denn längst hat der Alltag die Feierlaune ersetzt.

Nicht nur geografisch ist die EU größer geworden: der ovale Sitzungssaal der Europäischen Kommission gleicht einem gigantischen Raumschiff, in dem der Sprecher am anderen Ende des Saales nur Dank eines eingebauten Bildschirms zu sehen ist. Und in Luxemburg, wo der Ministerrat tagt, ist man bis zur Fertigstellung des Neubaus gleich in eine Messehalle gezogen.

Technisch gesehen hat die EU die Osterweiterung gut in den Griff bekommen, politisch besteht hingegen noch Nachholbedarf. Die Aufnahme der acht mittel- und osteuropäischen Staaten sowie von Malta und Zypern haben das Gesicht Europas verändert. Die "Neuen" lernten schnell, müssen aber erste Frustrationen hinnehmen, denn vieles geht ihnen zu langsam. Und die "Alten" - so sehen es zumindest manche EU-Diplomaten - beginnen sich allmählich zu fragen, wie schnell die Union eigentlich noch auf welche Größe wachsen soll.

Für Politik und Wirtschaft ein Erfolg - Skepsis in der Bevölkerung

Politik und Wirtschaft haben die EU-Osterweiterung jedenfalls als Erfolg gewürdigt. Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, die Erweiterung habe Europa wiedervereinigt und gezeigt, "dass dies keine geschlossene Gesellschaft ist". Mit den jetzt 25 Mitgliedern stärke "die EU ihre Stellung auf internationaler Bühne". Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sieht den Standort Deutschland durch die EU-Erweiterung gestärkt. Auch die deutschen Unternehmen ziehen nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHK) ein positives Resümee.

"Die Bilanz ist eindeutig positiv", sagte DIHK-Präsident Georg Ludwig Braun im Hinblick auf den deutlichen Handelsüberschuss Deutschlands. So hätten die Exporte im Erweiterungsjahr um zehn Prozent zugenommen, während die Importe stagnierten. Nach Einschätzung Brauns habe die Osterweiterung mehr Arbeitsplätze in Deutschland gesichert als gekostet. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ludolf von Wartenberg, sagte, Deutschland könne von einem Binnenmarkt mit insgesamt 450 Millionen Menschen profitieren. "Allen, die jetzt mit Ängsten vor Wohlstands- und Arbeitsplatzverlust spielen, sage ich: unsere Probleme sind überwiegend hausgemacht." Seit langem sei bekannt, dass sich der Standortwettbewerb in Europa verschärfen werde.

Allein im letzten Jahr investierten deutsche Firmen rund 60 Milliarden Euro in den Beitrittsstaaten - 62 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Zudem besitzt die hiesige Wirtschaft osteuropäische Tochterfirmen und Fabriken im Wert von 23 Milliarden Euro. Seit Anfang der neunziger Jahre ist dieser Kapitalstock um das 25fache gewachsen. Auch 2005 "wird Osteuropa zum Investitionszielgebiet Nummer Eins für deutsche Unternehmen", sagte Volker Treier vom DIHK.

Rechte Freude will trotzdem nicht aufkommen. Auch wenn das Politikgeschäft mit 25 EU-Staaten ausgesprochen gut läuft, wachsen in vielen Mitgliedstaaten die Bedenken gegenüber dem Sinn und dem Tempo der Erweiterung. So bereitet die Zukunft der EU-Verfassung, die für mehr Demokratie und ein besseres Funktionieren der erweiterten EU sorgen sollte, ebenso Kopfschmerzen wie der noch auszutragende Streit um die künftige Finanzierung der Gemeinschaft.

Der Streit um die als "Bolkenstein-Richtlinie" bezeichneten Vorschläge für eine europaweite Liberalisierung der Dienstleistungen ist symptomatisch dafür. Was aus Brüsseler Sicht der logische nächste Schritt nach der Öffnung der Warenmärkte ist, davor fürchten sich viele Bürger vor Ort. So ist von zunehmendem Druck auf die Löhne oder sogar von Abwanderung der Arbeitsplätze die Rede. Immer mehr Unternehmen aus den alten EU-Staaten verlassen ihr Heimatland und investieren in den neuen oder künftigen EU-Staaten in Arbeitsplätze und Firma. In Frankreich ist die Angst vor der "délocalisation" der Arbeitsplätze ein wichtiges Argument der Gegner der EU-Verfassung. In Deutschlands mischt sich zudem die Angst vor illegaler Einwanderung, Schwarzarbeit und wachsender Kriminalität.

Ob Lohndumping, Entsendegesetz oder Feinstaubrichtlinie - die Deutschen werden derzeit eher mit Negativschlagzeilen konfrontiert, die sie zunehmend verunsichern. Die Klage gegen den EU-Haftbefehl vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat zudem die Politik aufgeschreckt. Denn die obersten Richter haben den Politikern ziemlich direkt vorgeworfen, sie hätten den Grundrechtsschutz für deutsche Staatsbürger mal so nebenbei aufgegeben. 

Auch wenn sich eine deutliche Mehrheit für die EU-Verfassung ausspricht, glauben 66 Prozent der Deutschen, dass die Osterweiterung einen schlechten Einfluss auf die Arbeitsplätze hat - nur zwei Prozent meinen das Gegenteil. Dies ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Auch wenn es um eine weitere Ausdehnung der EU geht, sprechen sich zwei von drei Befragten dagegen. Eine große Mehrheit hingegen will eine Vertiefung der EU-Strukturen, sprich mehr Integration und gemeinsame Entscheidungen in der EU.

Der Berliner Historiker Heinrich August Winkler spricht in diesem Zusammenhang von einer "Lebenslüge" der deutschen Europapolitik. Jahrelang habe man in Deutschland die Meinung vertreten, dass es zwischen der Erweiterung und der Vertiefung keinen Widerspruch gebe. "Doch tatsächlich ist die Erweiterung kräftig vorangeschritten - während die Vertiefung auf der Strecke zu bleiben droht", so der Wissenschaftler. Die euphorischen Schlagzeilen, die vor einem Jahr noch in Deutschland die größte Erweiterung der EU einläuteten, sind nun vergessen. Deutsche Schlagzeilen dieser Tage lauten dagegen: "Europa ist erschöpft" oder schlicht "Europa nervt".

Eine Nachlese in den Beitrittsländern

Doch auch in den Beitrittsländern ist die Freude über die Osterweiterung einem pragmatischen Umgang mit dem EU-Alltag gewichen. Bei den meisten Polen konnte schon im Augenblick des Beitritts keine Rede mehr von grenzenloser Begeisterung sein. Vielmehr hielten sich Hoffnungen und Ängste die Waage. Zehntausende - vor allem aus den Armutsregionen - versuchten seither ihr Glück im Westen. So waren die internationalen Busverbindungen nach London und Dublin, Malmö oder Stockholm über Wochen hinweg ausgebucht.

Viele mussten hingegen einsehen, dass der Traum vom Wohlstand im Westen nicht so einfach zu verwirklichen ist - vor allem ohne Sprachkenntnisse und gute Vorbereitung. Hinzu kam, dass unseriöse Arbeitsvermittler manchem Arbeitssuchenden den letzten Zloty aus der Tasche zogen - der versprochene Arbeitsplatz existierte jedoch nicht. Weit verbreitet ist zudem die Skepsis, dass mit der EU in Polen "unerwünschte Werte" Einfluss gewinnen könnten - dies zeigt ein Streit um den fehlenden Gottesbezug in der EU-Verfassung. Das für September geplante Referendum könnte somit zu einer Nagelprobe für die polnische Haltung zur EU werden.

In Tschechien sind laut einer neuen Umfrage rund 72 Prozent insgesamt zufrieden mit der EU-Mitgliedschaft ihres Landes. Dabei zeigte nur ein Drittel der Befragten Interesse an einer möglichen Arbeitsstelle im EU-Ausland. Allein die Ärztekammer atmete nach einem Jahr EU-Mitgliedschaft auf, denn die befürchtete Massenabwanderung heimischer Mediziner ins westliche Ausland blieb bislang aus. Wie im Nachbarland Polen könnte aber auch hier die Diskussion über den EU-Verfassungsvertrag zu einer innenpolitischen Zerreißprobe werden. Während sich die Mitte-Links-Regierung für eine Ratifizierung ausspricht, lehnt Präsident Vaclav Klaus als einziges Staatsoberhaupt eines EU-Landes das Dokument zu "100 Prozent" ab.

Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány brachte die Haltung der Ungarn unlängst auf den Punkt: "Die EU-Erweiterung hat alle Erwartungen erfüllt, schon allein weil sie nicht besonders groß waren". In der Tat hat es in der Pusta nie eine besondere "EUphorie" gegeben - vielmehr wurde der Beitritt als selbstverständlich registriert. Unzufrieden sind hingegen vor allem die Bauern, die allgemein als Verlierer des EU-Beitritts gelten. So machten die Landwirte unlängst ihren Unmut über die schleppende ungarische Bürokratie Luft, nachdem sie ihre EU-Subventionen für 2004 noch nicht erhalten hatten. Schätzungen zufolge leben etwa 700.000 bis 1,2 Millionen Ungarn von der Landwirtschaft - das entspricht etwa sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung. Etwa 80 Prozent davon sind Kleinbauern. Laut unterschiedlichen Schätzungen von mehreren Regierungsexperten sei etwa ein Drittel oder gar die Hälfte der Agrarbetriebe nicht überlebensfähig.

In der Slowakei spüren die meisten Menschen bislang weniger die Auswirkungen des EU-Beitritts als jene der Reformpolitik ihrer Mitte-Rechts-Regierung. So schreiben viele die Verteuerung der Lebensmittel weniger der EU als der inländischen Mehrwertsteuererhöhung zu. Immerhin wird das Land in internationalen Wirtschaftskreisen als Reformvorbild gelobt. Zudem galt der EU-Beitritt der Slowakei vor einigen Jahren noch als ungewiss. Daher mieden viele Investoren das Land zunächst. Heute bietet die Slowakei Investoren wie US Steel Kosice oder dem südkoreanischen Autokonzern Hyundai-Kai eine ideale Kombination aus der Mitgliedschaft im großen EU-Markt und den im Vergleich zu anderen EU-Staaten noch weit niedrigeren Arbeitskosten. Kritiker sehen in der Slowakei daher auch einen Vorreiter für Lohndumping und Steuerwettbewerb. Viele Slowaken sind jedoch auch frustriert, dass ihnen von den "neuen Freiheiten" vorerst jene verwehrt bleibt, auf die sie nach Umfragen am meisten gehofft hatten: die freie Arbeitsplatzwahl.

Slowenien galt schon zu Zeiten Titos als wirtschaftliches Musterländle. Zog es einst vor allem Serben und Kroaten zur Arbeit in die ehemalige jugoslawische Teilrepublik, sind es heute vor allem Arbeitnehmer aus den anderen EU-Staaten wie der Slowakei oder Polen. Doch auch wenn sich die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer angesichts einer Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent noch erhöhen könnte - nach Ansicht von Wirtschaftsexperten ist ein Konflikt auf dem slowenischen Arbeitsmarkt nicht zu erwarten. Vielmehr sind Ausländer weiterhin willkommen - vor allem dann, wenn sie helfen können, den Arbeitskräftemangel an den notwendigen Stellen zu lindern. Für die Slowenen war ohnehin klar, dass sie sich schnell in die EU integrieren würden - ist das wirtschaftliche Umfeld ohnehin seit langem von der Nähe zu Österreich und Italien geprägt. Eine Abwanderung von qualifizierten slowenischen Arbeitskräften nach Norden stand zudem nie zur Debatte.

Die baltische Republik Estland gilt heute weltweit als einer der Staaten, der Unternehmen größtmögliche Freiheiten einräumt. Das "Wall Street Journal" nennt die ehemalige Sowjetrepublik diesbezüglich in einem Atemzug mit Hongkong, Singapur und Luxemburg. Laut Weltbank werden hier die niedrigsten Steuern Europas erhoben, ausländische Investoren haben bereits Milliarden von Euro, US-Dollar und russischen Rubeln in das Land gebracht. Internet-Erfolgsgeschichten wie Hotmail oder die umstrittene Tauschbörse KaZaa haben hier ihren Ursprung. Und dennoch: die ethnischen Probleme mit der russischen Minderheit werden einen Schatten auf die wunderbaren Wirtschaftsdaten. So wartet ein russischer Grenzvertrag seit Jahren auf eine Ratifizierung und estnische Exporteure müssen an der Grenze zu Russland immer noch höhere Zölle zahlen als andere Nationalitäten. Zudem provozieren russische Politiker regelmäßig mit Vorwürfen, dass die slawische Minderheit in Estland diskriminiert werde. Für normale bilaterale Beziehungen zwischen der Baltenrepublik und Russland scheint die Zeit also noch nicht reif zu sein.

In Lettland löste der EU-Beitritt einen regelrechten Reiseboom aus. So verzeichnete der internationale Flughafen der Hauptstadt Riga im Jahr 2004 erstmals mehr als eine Million Passagiere - rund die Hälfte mehr als im Jahr zuvor. Allein in diesem Jahr werden bereits zwei Millionen Reisende erwartet - der Ausbau des Airports läuft auf Hochtouren. Immerhin mischen auch europäische Billigfluglinien bei der Neuverteilung des Marktes mit. Die Reiselust hat aber vor allem zwei Seiten: nicht nur die Osteuropäer strömen visafrei nach Westen - auch die Touristen aus den "alten" EU-Staaten entdecken zunehmend die Schönheiten hinter dem einstigen Eisernen Vorhang. So gilt die lettische Hauptstadt Riga als Jugendstilmetropole und als "Perle des Baltikums".

Litauen entwickelt sich seit dem EU-Beitritt zunehmen zu einem "baltischen Tiger". Als Gründe nennen Analysten den seit Jahren andauernden Wirtschaftsboom und den freien Wettbewerb. Seit 1996 hat die litauische Wirtschaft um gut 50 Prozent zugelegt, die Weltbank sieht viele Anzeichen für einen "nachhaltigen Effekt". Die Arbeitslosigkeit erreicht zuletzt mit zehn Prozent den niedrigsten Stand seit der Unabhängigkeit Litauens im Jahre 1991. Zudem ist der Strukturwandel nahezu abgeschlossen. Die ehemals landwirtschaftlich geprägte Ostseerepublik - auch "Milch- und Fleischkammer der Sowjetunion" genannt - erwirtschaftet mittlerweile mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in den Sparten Produktion und Dienstleistung. Ein großer Teil der EU-Gelder wird für den Aufbau einer Informationsgesellschaft genutzt - das Ziel: möglichst bald leistungsstarke Internetverbindungen in allen Landesteilen anbieten zu können. Und schon 2007 soll der Euro die Landeswährung Litas ablösen.

Seit Ministerpräsident Lawrence Gonzi vor einem Jahr das Amt des Ministerpräsidenten von Malta antrat, ist die Konsolidierung der maroden Staatsfinanzen zur Chefsache geworden. Daher verwundert es vielleicht auch wenig, dass er in Personalunion auch das Finanzministerium führt. Nur die Alltagsgeschäfte überlässt er seinem Stellvertreter Tonio Fenech. Immerhin hat Gonzi allen Grund dazu, verzeichnete der Haushalt im Jahr 2003 ein Minus von 9,6 Prozent. Aber der maltesische Premier ist zuversichtlich, die strengen Vorgaben der EU-Kommission bald erreichen zu können. Das Haushaltsdefizit soll bis 2007 auf 1,7 Prozent schrumpfen. Damit will sich die Inselrepublik 2008 für den Euro qualifizieren. Der Weg dorthin ist jedoch hart und verlangt den Maltesern einiges ab: die Ausgaben werden gekürzt und die Staatseinnahmen erhöht. Besonders umstritten sind nicht nur die Einschnitte in der Freizeit. Auch die Mehrwertsteuer wurde von 15 auf 18 Prozent erhöht und die Flughafengebühren verdoppelt. Es gibt eine dreiprozentige Verbrauchssteuer auf Mobilfunkleistungen, höhere Zigarettensteuern sowie Energiezuschläge auf die Wasser- und Stromrechnungen. Hinzu kommen weitere Abgaben - darunter eine "Ökosteuer" und eine Vielzahl von Abgaben "nichtabbaubare Dinge" wie Autoreifen und Batterien.

In Zypern beschäftigen die Menschen noch die gleichen Probleme, mit denen sie bereits vor dem EU-Beitritt am 1. Mai 2004 zu tun hatten. So ist die Insel weiterhin in zwei höchst unterschiedliche Teile gespalten: während der griechische Süden wirtschaftlich blüht, leidet der international nicht anerkannte Norden unter der seit 1974 andauernden Isolation. Seit Monaten verhandelt zwar die zuständigen Behörden in Brüssel über eine Öffnung der Häfen des Nordens für den direkten Handel. Die griechisch-zyprische Führung besteht aber darauf, das alle Transaktionen über die Republik Zypern abgewickelt werden. "Würden wir den Direkthandel mit dem Norden erlauben, würden wir politischen Selbstmord begehen, indem wie die sogenannte Türkische Republik im Norden anerkennen", betont ein griechisch-zyprischer Diplomat. Formell gehört zwar ganz Zypern der EU an, faktisch gilt das EU-Recht bis zur Lösung des Problems nur im Süden. Die südliche Inselhälfte ist zudem ein Beschäftigungsparadies: hier lag die Arbeitslosenquote im Januar nach Angaben des Statistikamtes unter 2,5 Prozent. Im türkischen Norden ist hingegen jeder Vierte ohne Job. Im Süden befürchtet man im Falle einer Wiedervereinigung Zypern negative wirtschaftliche Folgen - das Wort "BRD-DDR-Effekt" macht derzeit auf der Mittelmeerinsel die Runde. Dennoch hofft man, dass in den nächsten Monaten unter der Schirmherrschaft der UNO eine neue Runde zur Überwindung der Teilung beginnen kann.

Weitere Kandidaten stehen vor der Tür

Trotz der großen Erweiterungsrunde vor einem Jahr war schon lange klar, dass die EU weiter wachsen wird. Bulgarien und Rumänien haben bereits ihre Beitrittsverträge zum 1. Januar 2007 unterschrieben. Für die Rumänen geht damit der historische Traum in Erfüllung, endlich als Europäer anerkannt zu werden. Denn über Jahrhunderte hinweg war das Land Teil einer geopolitischen Grauzone. Bürgerrechtler und Meinungsmacher hoffen zudem, dass der Druck aus Brüssel die rumänischen Politiker zu Reformen zwingt, die sie aus eigenem Antrieb nicht anpacken würden. In Bulgarien befürworten drei Viertel der Bevölkerung den EU-Beitritt ihres Landes. Denn die meisten versprechen sich ein besseres Leben im "Club der Reichen": höhere Einkommen und Renten sowie Arbeitsmöglichkeiten in anderen EU-Staaten. Allerdings könnte die verschleppte Justizreform ein Stolperstein werden, der den EU-Beitritt Bulgariens um ein Jahr verzögern könnte. Denn das Land gilt immer noch als Drehscheibe für Geldfälscher, Drogen- und Frauenhändler.

Unter den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens gehört derzeit nur Slowenien der EU an. Mit Kroatien wollte die EU zwar ab dem 17. März verhandeln - da der Balkanstaat jedoch nicht "uneingeschränkt" mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenarbeitet, wurden die Beitrittsgespräche vorläufig ausgesetzt. Mazedonien kommt seit dem 1. April 2004 in den Genuss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der EU, dessen Ziel eine schrittweise Annäherung an die EU-Strukturen und schließlich der EU-Beitritt ist. Mit Serbien-Montenegro soll ebenfalls ein solches Abkommen ausgehandelt werden, mit Bosnien-Herzegowina wurden bislang noch keine Gespräche dazu begonnen. Zumindest langfristig ist auch ein EU-Beitritt von Albanien vorgesehen. Kaum Interesse an einer Vollmitgliedschaft zeigten dagegen bislang Norwegen, Island und die Schweiz - für sie stehen die Türen immerhin offen.

Mit der Ukraine und sechs anderen Staaten verabschiedete die EU im Dezember 2004 einen Aktionsplan, der den Zugang zum EU-Binnenmarkt erleichtert und die Teilnahme an EU-Programmen vorsieht. Von einer Mitgliedschaft ist aber keine Rede. Zu diesem "Ring der Freunde" gehören neben der Ukraine und Moldawien auch Israel, die Palästinenser-Behörde, Jordanien, Marokko und Tunesien. Weitere Aktionspläne sind mit dem Libanon, Ägypten, Georgien, Armenien und Aserbaidschan in Vorbereitung.

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