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Fußball-WM 2022: Katar sorgt weiterhin für Zoff

Die katarische Hauptstadt Doha. (Quelle: Bild von ekrem auf Pixabay)

Seit dem Beginn vor einer Woche sorgt die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 im arabischen Golfemirat Katar vor allem politisch für enormen Zündstoff. Dabei überstrahlt die Debatte nahezu vollständig die sportlichen Highlights des Turniers - sei es die überraschende Niederlage Argentiniens gegen den WM-Außenseiter Saudi-Arabien oder der spektakuläre Auftaktsieg England gegen den Iran. Dabei sorgte vor allem der Iran mit seiner Geste zur Nationalhymne für ein politisches Zeichen in die Heimat.

"Wer von uns Fußballern erwartet, dass wir unseren Pfad als Sportler komplett verlassen und unsere sportlichen Träume, für die wir ein Fußballerleben lang gearbeitet haben, aufgeben, um uns politisch noch deutlicher zu positionieren, der wird enttäuscht sein."

Thomas Müller, Spieler des FC Bayern München (seit 2008) und deutscher Nationalspieler (seit 2010)

Für ein politisches Zeichen sorgte auch die deutsche Nationalmannschaft zum - verpatzten - WM-Auftakt gegen Japan. Vor allem die Entscheidung des DFB, sich der Anweisung des Weltfußballverbandes FIFA im Streit um die "OneLove"-Binde zu beugen, sorgte für erhebliche Kritik in der Heimat – bis hin zu den obligatorischen Boykott-Aufrufen, die auch vor der Versicherungsbranche nicht Halt machten.

Quelle: Statista

Laut einer aktuellen Statista-Umfrage ist die Mehrheit der Deutschen jedenfalls für entsprechende Solidariätsbekundungen. Kein Wunder also, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nun massiver Kritik in der Heimat ausgesetzt ist. So hatte der Lebensmittelkonzern REWE seine Kooperation mit dem Fußballverband ab sofort ruhen lassen. "Fußball ist für uns unter anderem Fair Play, Toleranz und Zusammenhalt - diese Werte halten auch wir hoch. Wir stehen ein für Diversität - und auch Fußball ist Diversität. Diese Haltung leben wir und diese Haltung verteidigen wir - auch gegen mögliche Widerstände", begründet Konzernchef Lionel Souque. Was das Unternehmen allerdings nicht mitteilt: Der Kooperationsvertrag wurde bereits im Oktober zum Jahresende 2022 aufgekündigt - unabhängig von der umstrittenen WM in Katar.

Die Ergo indes hält bislang an ihrem DFB-Sponsoring fest. Schließlich ist der Fall für die Munich Re-Tochter politisch brisanter. Erst im Dezember letzten Jahres gaben die Düsseldorfer bekannt, ihre Partnerschaft mit dem DFB zu vertiefen und sich langfristig für fünf weitere Jahre an den Verband zu binden. Stolz hielt CEO Markus Rieß gemeinsam mit dem DFB-Manager Oliver Bierhoff und Frauen-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ein Trikot mit der Rückennummer 2026 in die Kamera. Ein Werbe-Coup, der millionenschwer gewesen sein dürfte. Wie schwierig dabei der Spagat zwischen Ethik und Moral einerseits sowie wirtschaftlichen und politischen Interessen sein kann, zeigte daher jüngst auch ein Kommentar im ZDF-Format Inside PolitiX.

Quelle: ZDFheute auf Youtube

Deutliche Worte fand daher auch Fußball-Nationalspieler Thomas Müller auf LinkedIn: "Aufgrund der Entscheidung aller betroffenen Fußballverbände, die Binde bei den Spielen nicht zu tragen, stehen auch der DFB und wir Spieler in der Kritik. Ich kann die Kritik nachvollziehen und akzeptieren, teile diese Ansicht aber nicht! Der DFB hat Stellung bezogen und seine Haltung gegen die FIFA deutlich zum Ausdruck gebracht. Der Verband und wir Spieler engagieren uns seit Jahren weit über den grünen Rasen hinaus. Viele Nationalspieler haben eigene Stiftungen oder unterstützen seit Jahren mit großem Einsatz unterschiedliche soziale Einrichtungen. Mit unserer Mannschafts-Stiftung haben wir diverse Initiativen nicht nur im Zusammenhang mit dem Turnier in Katar, sondern auch in ganz Deutschland auf den Weg gebracht."

Noch deutlicher kritisierte sogar der belgische Fußball-Star Eden Hazard die Geste des DFB-Teams vor dem Auftaktspiel gegen Japan: "Wir sind hier, um Fußball zu spielen, ich bin nicht hier, um eine politische Botschaft zu verbreiten, dafür sind andere Leute besser geeignet. Wir wollen uns auf den Fußball konzentrieren". Die prompten Reaktionen darauf blieben indes nicht aus: "Interessanter Kommentar eines Spielers, der in seinem ersten Spiel nur 60 Minuten durchhielt und von Kanada ausgespielt wurde. Im Moment des Sieges sehen wir oft den wahren Charakter", twitterte der ehemalige deutsche Fußball-Profi Thomas Hitzlsberger.

Um klarzustellen: Kaum eine WM war angesichts der Situation der Menschenrechte oder der Gastarbeiter in Katar so umstritten. Und dass die Vergabe einer WM heute kaum noch ohne Korruption geschieht, ist längst ein offenes Geheimnis. So ist die Kritik am Winterturnier in Katar in allen Belangen natürlich gerechtfertigt und auch nötig!

Quelle: Bild von Miguel Á. Padriñán auf Pixabay

Wie schwierig – und vor allem umstritten – aber der Umgang mit solchen Turnieren ist, zeigt auch die Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien, das damals unter der Knute der herrschenden Militärdiktatur stand und die das Turnier - wenig überraschend - auch für ihre politische Propaganda missbrauchte. Ähnliches gilt dabei übrigens auch für die Fußball-WM 1934 im faschistisch regierten Italien oder die Olympischen Spiele 1936 in Berlin.

So bleibt jedenfalls zu hoffen, dass vor allem die Fußball-Funktionäre irgendwann einsehen werden, dass irgendwann wieder die sportlichen Belange im Vordergrund stehen und nicht mehr die schier endlos erscheinende Gier nach noch mehr Kommerz. Doch der Weg dahin scheint im internationalen Fußball noch weit zu sein.

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Veröffentlicht am 26.11.2022
 
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