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Tod von Arafat: Wendepunkt für Nahost?

Quelle: Bild von Ri Butov auf Pixabay

Über drei Jahrzehnte hinweg verkörperte Jassir Arafat - wie kein anderer - den Kampf des palästinensischen Volkes für einen unabhängigen Staat. Am 11. November 2004 starb der Friedensnobelpreisträger und Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) im französischen Militärkrankenhaus Percy in Clamart südwestlich von Paris.

Politiker in aller Welt würdigten sein Lebenswerk, äußerten zugleich aber die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses. Mehrere israelische Politiker machten dagegen aus ihrer Erleichterung über den Tod des Palästinenser-Präsidenten keinen Hehl. Hingegen machten die al-Aqsa-Brigaden und die radikalislamische Hamas vielmehr Israel für den Tod Arafats verantwortlich.

Der damalige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon (1928-2014) hatte mit Arafat seinen Erzfeind verloren. Für ihn war der Palästinenser-Präsident ein "Mörder", ein "pathologischer Lügner" und ein "Hund". Für Sharon stellen die "jüngsten Ereignisse wahrscheinlich einen historischen Wendepunkt im Nahen Osten dar“. Der damalige Justizminister Josef Lapid (1931-2008) erklärte gegenüber dem israelischen Rundfunk: "Ich habe ihn gehasst wegen des Todes von Israeli und weil er nicht zugelassen hat, dass der Friedensprozess vorankommt". Arafat habe den Terrorismus zu einem politischen Instrument gemacht. 

Israel (Quelle: Bild von Chickenonline auf Pixabay)

Auch Israels Oppositionsführer Schimon Peres  (1923-2016) - der mit Arafat für frühere Friedenbemühungen in Nahost den Friedensnobelpreis erhalten hatte - erklärte: "Arafats größter Fehler war es, sich dem Terrorismus zuzuwenden." Der israelische Staatspräsident Mosche Katzav (2000-2007) sagte, nun könne ein "neues Kapitel" beginnen. Wenn die Palästinenser gegen "Terrorismus und Gewalt" vorgingen, könnten wieder Verhandlungen aufgenommen werden.

"Der größte Fehler Arafats war, sich dem Terror zuzuwenden. Seine größten Leistungen vollbrachte er, als er versuchte, Frieden zu schaffen."

Schimon Peres (1923-2016), Staatspräsident von Israel 2000-2007, Ministerpräsident von Israel 1984-1986 und 1995-1996

Die israelische Regierung und die USA hatten Arafat in den letzten Jahren nicht mehr als Gesprächspartner akzeptiert. Sie warfen ihm vor, Gewalt gegen israelische Zivilisten zumindest zu akzeptieren. Der damalige US-Präsident George W. Bush sah im Tode Arafats daher einen bedeutsamen Augenblick in der Geschichte der Palästinenser. "Wir hoffen, dass die Zukunft Frieden bringt und die Erfüllung der Hoffnungen auf ein unabhängiges und demokratisches Palästina, das im Frieden mit den Nachbarn lebt", sagte Bush. Gleichzeitig forderte er alle Politiker in der Nahost-Region und weltweit auf, zu Fortschritten in der Region beizutragen.

Der britische Premierminister Tony Blair (1997-2007) betonte, es sei das Wichtigste, den Nahost-Friedensprozess neu zu beleben. Arafat sei eine "große Leitfigur des palästinensischen Volkes" gewesen. Auch der französische Staatspräsident Jacques Chirac (1995-2007) erwies dem Toten die letzte Ehre. Sein Land werde auch weiterhin "für die Rechte der palästinensischen und israelischen Völker, für den Frieden und die Sicherheit im Nahen Osten eintreten“. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte, Arafat habe sich "sein ganzes Leben für die gerechte Sache des palästinensischen Volkes eingesetzt". Er habe bis zuletzt für das "Grundrecht der Palästinenser auf einen eigenen, unabhängigen Staat" gekämpft. 

Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (1998-2005) sprach den Palästinensern sein Beileid aus und bedauerte, dass Arafat sein Lebenswerk, "die Palästinenser in die Unabhängigkeit zu führen und einen souveränen, lebensfähigen palästinensischen Staat zu errichten", nicht vollenden konnte. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) bezeichnete Arafat als einen "Führer von großem Charisma", der sein Volk liebte und es in die nationale Unabhängigkeit führen wollte.

"Arafats politische Linie ist zeitweise problematisch gewesen. Aber seine Bedeutung als Symbol für den Kampf des palästinensischen Volkes um einen eigenen Staat kann kaum überschätzt werden."

Per Stig Møller, Außenminister von Dänemark 2001-2010

In der arabischen Welt wurde Arafats Werk besonders gewürdigt. Dieser sei ein "großartiger Mann" gewesen, der immer die Einheit des palästinensischen Volkes im Blick gehabt habe, sagte der ägyptische Präsident Husni Mubarak (1981-2011). Zudem lobte der tunesische Präsident Zine el-Abidine Ben Ali (1987-2011) lobte den "langen und heldenhaften Kampf Arafats für die legitimen Rechte des palästinensischen Volkes". 

Für den Ali Abdullah Salih, Präsident des Jemen (1990-2012), habe "die palästinensische Sache sowie die arabische und die islamische Nation" durch den Tod Arafats "einen ihrer wichtigsten Führer" verloren. Die iranische Regierung würdigte Arafat für seine "herausragende Rolle" im Kampf für die Rechte seines Volkes und gegen Israel gewürdigt.

Nach Ansicht von UNO-Generalsekretär Kofi Annan (1997-2006) sollte Arafats Tod weltweit zu verstärkten Anstrengungen führen, den Palästinensern auf friedliche Weise zu ihrem Recht auf Selbstbestimmung zu verhelfen. Arafat habe vier Jahrzehnte lang die Sehnsucht seines Volkes verkörpert und symbolisiert. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana (1999-2009 forderte die USA auf, ihre Friedensbemühungen im Nahen Osten nach dem Tode Arafats zu verstärken.

Gleichzeitig forderte er Israel auf, den neuen Palästinenser-Führer als Verhandlungspartner zu akzeptieren. Die EU bildet gemeinsam mit den Russland, den USA und der UNO das sogenannte "Nahost-Quartett", das sich für den Frieden in der Nahost-Region einsetzt. Zudem gehört die EU zu den wichtigsten Geldgebern der Palästinenser. Ohne die millionenschweren EU-Schecks wäre die Palästinenserbehörde wohl längst zusammengebrochen, sagen EU-Diplomaten.

Kurzinfo: Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern

Seit Jahrzehnten schwelt nun der Konflikt zwischen den Israelis und Palästinensern um den schmalen Landstreifen zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer. So kam es bereits zu mehreren Kriegen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, welche den Konflikt bis heute aber nicht lösen konnten. Als 1948 mit dem Staat Israel die "nationale Heimstätte" der Juden gegründet wurde, überschritten die Armeen von fünf arabischen Ländern die Grenzen, wurden aber zurückgeschlagen. Mindestens 710.000 Palästinenser flohen oder wurden vertrieben ("Nakba"). Bis heute ist das palästinensische Flüchtlingsproblem - neben der israelischen Siedlungspolitik - ein ungelöster Streitpunkt.

In Sechstagekrieg von 1967 eroberte die israelische Armee den Sinai, die strategisch wichtigen Golan-Höhen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Über eine Million Palästinenser gerieten unter israelische Besatzung - Hunderttausende Menschen flohen. Mittlerweile leben rund fünf Millionen registrierte Flüchtlinge und ihre Nachkommen in den Palästinensergebieten sowie in den arabischen Nachbarländern.

Während des Jom-Kippur-Krieges konnte Israel jedoch nur mit schweren Verlusten die Angriffe Ägyptens und Syriens abwehren. Die folgenden Jahrzehnte standen vor allem unter dem Eindruck der internationalen Friedensbemühungen im Nahost-Konflikt. So unterzeichneten Israel und Ägypten am 26. März 1979 einen Friedensvertrag. Auch mit Jordanien schloss Israel am 26. Juli 1994 ein Friedensabkommen. Der Oslo-Friedensprozess brachte aber keinen dauerhaften Frieden in der Region. Immerhin wurde im September 2020 ein Friedensvertrag mit Bahrain  geschlossen. Zeitgleich schloss Israel einen Friedensvertrag mit den Vereinigen Arabischen Emiraten (VAE).

Ein Haupthindernis für den Nahost-Friedensprozess ist der Bau der israelischen Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten. Nach Ansicht der internationalen Gemeinschaft verstößt der Siedlungsbau gegen Artikel 49 der 4. Genfer Konvention. Demnach dürfen Besatzungsmächte "Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung nicht in besetzte Gebiete umsiedeln". Israel argumentiert hingegen, seien nicht im ursprünglichen Sinne besetztes Gebiet. Zudem sei Ost-Jerusalem ein Teil der "ewigen und unteilbaren Hauptstadt Israels". Zahlreiche Staaten erkennen die Annektierung jedoch nicht an.

Angaben des israelischen Zentralbüros für Statistik lebten im Jahre 2022 rund 451.700 Siedler im Westjordanland. Hinzu kommen etwa 220.000 Israelis in Ost-Jerusalem. Die jüdischen Siedler leben inmitten von etwa 2,5 Millionen Palästinensern. Seit 1967 wurden 213 israelische Siedlungen im Westjordanland errichtet. Hinzu kommen etwa 132 illegale Siedlungen - sogenannte "Außenposten" - , die von der israelischen Regierung nicht genehmigt wurden. Die Friedensorganisation Peace Now kritisiert, dass immer mehr dieser illegalen "Vorposten" nachträglich von der Regierung legalisiert werden.

Die Siedlungen selbst sind für Palästinenser tabu - ebenso wie einige für die Siedler bestimmte Straßen. Im Jordan-Tal sind laut UN-Büro für humanitäre Hilfe (OCHA) in den Palästinensergebieten knapp 80 Prozent der Fläche für Palästinenser ebenso tabu. Auch vier von fünf Straßen dürfen sie dort nicht befahren. Laut OCHA seien etwa 200.000 Palästinenser aus 70 Orten aufgrund der israelischen Sperren etwa fünfmal so lange zur nächsten Stadt unterwegs wie ohne Blockaden.

Verschärft wird der Konflikt noch durch mittlerweile sehr angespannten Beziehungen zwischen Israel und dem Iran. Seit der Islamischen Revolution 1979 betrachtet die Islamische Republik den jüdischen Staat als "zionistisches Regime" und lehnt das Existenzrecht Israels strikt ab. So unterstützt der Iran radikal-islamische Terrorgruppen wie Hisbollah, Hamas und Islamischer Dschihad in ihrem bewaffneten Kampf gegen Israel. Verschärft werden die Spannungen noch durch das iranische Atomprogramm. Im offiziellen Sprachgebrauch bezeichnet der Iran die Vereinigten Staaten als "großen Satan" und Israel als "kleinen Satan". Zu den USA bestehen ebenfalls seit 1980 keine offiziellen Beziehungen mehr.

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Vom Terroristen zum Friedensnobelpreisträger

Palästinenserführer Arafat starb so, wie er Jahrzehnte lang gelebt hatte - im zähen Kampf ums Überleben und im Exil. Dennoch war sein Leben die "palästinensische Sache". Mit ihr sei er verheiratet, sagte Arafat einmal ohne Ironie. Sein größter Traum war die Errichtung eines eigenen Palästinenser-Staates. Über den Anfang des von Mythen umwobenen Lebensweges der "Sphinx von Gaza" liegt jedoch im Dunkeln. 

Geboren wurde Rahman Abdel Rauf Arafat al Kudwa al Husseini am 24. August 1929 in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Als seinen Geburtsort nannte er jedoch sowohl Jerusalem - das Symbol des palästinensischen Unabhängigkeitsstrebens und von den Moslems als "Al Kuds" ("Die Heilige") bezeichnet - als auch den Gaza-Streifen.

Seine Mutter Sahwa starb bereits, als er erst vier Jahre alt war. Sein Vater - ein reicher Textilhändler - schickte ihn zunächst zu einem Onkel nach Jerusalem. Den politischen Werdegang begann Arafat nach einem Ingenieurstudium in Kairo als Studentenführer im damals ägyptisch verwalteten Gaza-Streifen. Als ägyptischer Offizier kämpfte er im im Sueskrieg 1956 gegen Frankreich, Großbritannien und Israel.

Nach mehreren Jahren in Kuwait, wo er als Bauingenieur sehr erfolgreich war, kehrte er in den Gaza-Streifen zurück und gründete dort die Fatah, die er fast vier Jahrzehnte lang führen sollte. Im Jahre 1969 wurde er Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Trotz heftiger Kontroversen um seine Person und seiner als politisch gemäßigt geltenden Linie wurde Arafat jedoch immer wieder im Amt bestätigt.

Kurzinformation: Palästinenser-Organisationen Fatah und Hama

Innerhalb der Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) stellen die Fatah und die Hamas die größten Fraktionen. Ihre wichtigsten Positionen im Überblick:

  • Das Ziel der am 10. Oktober 1959 gegründeten Fatah ist ein unabhängiger Palästinenserstaat mit vollen Souveränitätsrechten. Bis 2004 wurde das Bild der säkularen Bewegung von ihrem Gründer Jassir Arafat geprägt und setzte sich zunächst gewaltsam für ein Palästina in den historischen Grenzen ein. Mit der Anerkennung Israels im Jahre 1988 änderte die Fatah jedoch ihre Charta: Heute strebt sie mit friedlichen Mitteln einen unabhängiges Palästina in den Grenzen von 1967 an.
  • Die radikalislamische Hamas wurde 1987 gegründet und fordert in ihrer Charta die Zerstörung des Staates Israel. Zudem strebt sie gewaltsam die Errichtung eines islamischen Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer an. So verübte die Organisation bereits Dutzende Anschläge auf Israelis, wodurch sie unter anderem von Deutschland, der Europäischen Union (EU) oder der UNO als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Schätzungen zufolge gehören der Hamas etwa 40.000 Kämpfer an.

Der Konflikt zwischen Fatah und Hamas hatte außerdem faktisch zu einer Teilung der Palästinensischen Autonomiegebiete geführt: So kontrolliert die Hamas seit 2007 den Gazastreifen - die Fatah das Westjordanland. Anfang Mai 2011 unterschrieben beide Konfliktparteien ein Versöhnungsabkommen, welches zu einer Annäherung der Palästinenser-Organisationen führte.

Von Jordanien aus bekämpfte seine Organisation den israelischen Staat mit Terror, bis sich König Hussein (1952-1999) von den palästinensischen Gruppierungen bedroht fühlte. Im "Schwarzen September" 1970 schlugen jordanische Truppen einen Aufstand der Palästinenser nieder. Aus ihrem neuen Unterschlupf in Beirut wurde die PLO-Führung 1982 während des Bürgerkrieges im Libanon (1975-1990) erneut vertrieben. Seine letzte Exilstation fand Arafat in Tunesien, wo er die 34 Jahre jüngere blondierte Sekretärin Suha Tawil heiratete. Allerdings war sie in den Palästinensergebieten immer sehr unbeliebt. Später geriet sie wegen ihres verschwenderischen Lebensstils und der angeblichen Unterschlagung von EU-Hilfsgeldern in die Kritik.

Palästina (Quelle: Bild von Chickenonline auf Pixabay)

Auf dem Höhepunkt der ersten Intifada (1987-1993) proklamierte Arafat 1988 in Algerien den Unabhängigkeit des "Staates Palästina". Zudem akzeptierte der palästinensische Nationalrat unter seiner Führung die UN-Resolution 242 und erkannte damit das Existenzrecht Israels an. Außerdem schwor Arafat auf Druck der USA öffentlich "allen Formen des Terrorismus" ab. 1991 geriet der PLO-Führer allerdings in die Kritik, als er sich nach der Annexion von Kuwait durch den Irak im August 1990 und während des Zweiten Golfkrieges (1990-1991) hinter den irakischen Präsidenten Saddam Hussein (1979-2003) stellte. 

"Der unabhängige Palästinenserstaat - Seite an Seite mit Israel - ist keine Fata Morgana, sondern das natürliche Ergebnis unseres Ringens um Freiheit, Gleichberechtigung und Souveränität."

Jassir Arafat (1929-2004), palästinensischer Politiker und PLO-Vorsitzender (1969-2004), Friedensnobelpreisträger 1994

Israel selbst erklärte sich erst 1993 dazu bereit, mit den PLO-Vertretern direkt zu verhandeln - es folgte die palästinensische Teilautonomie im Gaza-Streifen und in Jericho im Westjordanland. Arafat konnte nun in seine Heimat zurückkehren und wurde drei Jahre später offiziell zum Präsidenten gewählt. Das Friedensabkommen zwischen Israel und der PLO wurde bereits als Ende eines Jahrhundertkonflikts gefeiert - Arafat erhielt dafür im Jahre 1994 zusammen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin (1992-1995) und dem israelischen Außenminister Schimon Peres (1992-1995) den Friedensnobelpreis.

Das Scheitern der Friedenskonferenz von Camp David und die zweite Intifada (2000-2005) besiegelten jedoch den politischen Abstieg Arafats. Nach den blutigen Bombenanschlägen von Haifa und Jerusalem 2001 wurde der Palästinenserpräsident an seinem Amtssitz in Ramallah unter Hausarrest gestellt, den Israel erst wenige Tage vor dessen Tod wieder aufhob. Arafats sehnlichster Wunsch, vor seinem Tod in Jerusalem als Hauptstadt eines unabhängigen Palästinas zu beten, blieb zeit seines Lebens ein Traum.

Hintergrund: Die Pläne für einen eigenen Staat der Palästinenser

Die zukünftigen Grenzen eines unabhängigen Palästinenserstaates sind bislang noch umstritten. Zwar soll dieses Problem in Verhandlungen gelöst werden, doch gibt es derzeit unterschiedliche Ansätze.

In der Balfour-Deklaration vom 2. November 1917 bestätigte Großbritannien das Ziel des ersten Zionistenkongresses von 1897, in Palästina eine "nationale Heimstätte" des jüdischen Volkes zu errichten. Gleichzeitig hatte Sir Henry McMahon, britischer Hochkommissar in Ägypten in der "Hussein-McMahon-Korrespondenz" mit Hussein ibn Ali, dem König des Hedschas und Sherif von Mekka eine Zusage für die Unabhängigkeit einer arabischen Nation gegeben.

Nachdem Großbritannien das Völkerbundmandat für Palästina aufgeben zu wollen, beschloss die UNO-Generalversammlung am 29. November 1947 mit einer Zweidrittel-Mehrheit den Teilungsplan für Palästina (UN-Resolution 181) , der durch durch die UNSCOP ausgearbeitet wurde. Demnach sollte der Konflikt zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung im britischen Mandatsgebiet Palästina durch die Teilung des Gebietes in einen jüdischen und arabischen Staat gelöst werden. Jerusalem sollte mit Bethlehem als "Corpus separatum" unter internationale Kontrolle gestellt werden.

Nach der Unabhängigkeitserklärung Israels am 15. Mai 1948 mündeten die gewaltsamen Auseinandersetzungen der jüdischen Zionisten und arabischer Nationalisten im  Palästinakrieg (1948-1949). Das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und den arabischen Staaten beendete zwar vorerst die militärischen Auseinandersetzungen. Der Plan für eine "Zweistaaten-Lösung" wurde aber bis heute nicht umgesetzt.

Ein weiterer Vorschlag war die sogenannte "Einstaaten-Lösung" - auch binationale Lösung genannt. Diese sieht vor, dass aus dem jetzigen Staat Israel, dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen ein einheitlicher demokratischer und säkularer Staat gebildet werden soll. Alle Bevölkerungsgruppen sollen die gleiche Staatsbürgerschaft mit den gleichen Rechten und Pflichten haben. Bekannte Befürworter dieser Lösung waren Martin Buber (1878-1965), Albert Einstein (1879-1955) oder Hannah Arendt (1906-1975). In der jüdischen Bevölkerung findet sie allerdings nur wenig Anklang - ebenso wenig wie bei den arabischen Nationalisten.

Die Palästinenser hingegen wollten auf dem Gebiet des Westjordanlandes, dem Gaza-Streifen und dem arabischen Teil Jerusalems einen eigenen palästinensischen Staat ausrufen. Die Grenzen sollen zudem den Linien vor dem Sechstage-Krieg 1967 entsprechen. Auch US-Präsident Barack Obama (2009-2017) schlug vor, dass die Linien von 1967 als Basis für künftige Grenzen dienen sollen. Über den Status Jerusalems soll erst später verhandelt werden. Faktisch hat sich Israel aus dem Gaza-Streifen jedoch zurückgezogen, kontrolliert aber weiterhin dessen Grenzen. Zudem annektierte Israel im Jahre 1980 den arabischen Ostteil Jerusalems - außerdem kontrolliert Israel derzeit 59 Prozent des Westjordanlandes.

Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert (2006-2009) hingegen schlug vor, dass die Palästinenser 93,2 Prozent des Westjordanlandes zurück erhalten sollten. Weitere 5,5 Prozent Land sollten getauscht, der Rest an eine Landverbindung zum Gaza-Streifen angerechnet werden. Als erster Regierungschef Israels ließ Olmert zudem den Begriff "vereinte Hauptstadt" fallen - ein möglicher Hinweis, dass er arabische Bezirke im Ostteil Jerusalems an die Palästinenser abtreten könnte. Der israelische Verteidigungsminister Scha'ul Mofas (2002-2006) plädierte dafür, dass ein künftiger Staat der Palästinenser etwa 92 Prozent des Westjordanlandes erhalten solle bei gleichzeitigem Landtausch. Allerdings soll Jerusalem weiterhin unter israelischer Kontrolle bleiben.

Die Genfer Initiative sieht vor, dass sich Israel weitgehend auf die Grenzen von 1967 zurückzieht, aber Siedlungsblöcke im Westjordanland behalten soll. Zudem sollen die jüdischen Stadtviertel im arabischen Osten Jerusalems unter israelische Hoheit fallen - die arabischen Teile hingegen unter palästinensische Hoheit. Die Genfer Initiative wurde von einigen Ländern und privaten Spendern finanziell unterstützt. Hauptgeldgeber waren die Schweiz, einige andere europäische Staaten und Japan. Offizielle Zahlen zur Finanzierung wurden bislang jedoch nicht veröffentlicht.

Die "Dreistaatenlösung" sieht vor, die Kontrolle eines Teils des Westjordanlandes an Jordanien sowie die des Gaza-Streifens an Ägypten zu übertragen. Allerdings werden die Pläne sowohl in Israel als auch in Jordanien und Ägypten eher kritisch gesehen.

Das heutige Israel geht auf Theodor Herzl (1860-1904) und seinem 1896 veröffentlichten Buch "Der Judenstaat - Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage" zurück. Am 14. Mai 1948 verkündete David Ben-Gurion (1886-1973)  in der Unabhängigkeitserklärung "kraft des natürlichen und historischen Rechts des jüdischen Volkes und aufgrund des Beschlusses der UNO-Vollversammlung" die Errichtung des Staates Israel".

Der "Staat Palästina" wurde am 15. November 1988 in Algier ausgerufen. Die Gründer beanspruchten das von Israel seit 1967 besetzte Westjordanland und den Gaza-Streifen, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Heute erkennen 138 Staaten den Staat Palästina an. Die PLO hatte seit 1974 als ein "Repräsentant des palästinensischen Volkes" einen völkerrechtlich anerkannten "Beobachterstatus" bei den Vereinten Nationen (UNO). Am 29. November 2012 erhielt die offizielle Vertretung der PLO den Beobachterstatus als Staat Palästina für die Palästinensischen Gebiete bei den Vereinten Nationen.

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Die Staaten des Nahen Ostens

Der Nahe Osten ist eine geographische Bezeichnung, die heute die arabischen Staaten in Vorderasien und Israel verwendet wird. In der deutschen Sprache wird damit vor allem eine geographische Abgrenzung vom Mittleren Osten und dem Fernen Osten vorgenommen wird. Mit Beginn der jüdischen Einwanderung in Palästina zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen auch die Konflikte mit der arabischen Bevölkerung. Die Region umfasst heute im wesentlichen folgende Länder:

Die Republik Ägypten ist ein Staat in Nordostafrika. Die Landfläche besteht im wesentlichen aus der Flussoase des Nils sowie der libyschen und der arabischen Wüste. Die Anfänge der ägyptischen Zivilisation liegen bereits 7.000 Jahre zurück. Mit dem Niedergang der Pharaonenzeit herrschten in Ägypten zunächst Ptolemäer, Römer und Byzantiner. Im 7. Jahrhundert breitete sich der Islam in Ägypten aus - im 16. Jahrhundert geriet es unter osmanische Herrschaft. Nach kurzer britischer Herrschaft wurde Ägypten 1922 wieder unabhängig. 1953 wurde es eine präsidiale Republik. Die Revolution 2011 wurde durch den Umsturz 2013 beendet. Hauptstadt des Landes ist Kairo.

Das Königreich Bahrain ist ein Inselstaat im Persischen Golf mit der Hauptstadt Manama. Der Landesname bedeutet im im Arabischen "zwei Meere" - ein Bezug auf das Meer, das die Inselm umfasst, sowie ein Meer von Grundwasser. Nach assyrischer, persischer und portugiesischer Herrschaft wurde Bahrain 1783 unter dem arabischen Herrscherhaus der Al-Chalifa unabhängig. Im 19. Jahrhundert geriet es jedoch als Protektorat unter britische Oberhoheit. Am 14. August 1971 wurde es als konstitutionelle Monarchie unabhängig - Staatsreligion ist der Islam. Wirtschaftlich ist Bahrain stark vom Erdöl abhängig.

Im Jahr 1920 entstand aus den drei osmanischen Provinzen Bagdad, Mossul und Basra der heutige Irak. Bereits 1921 wurde das Land in ein Königreich umgewandelt. 1958 wurde König Faisal II.(1939-1958) durch einen Militärputsch gestürzt und die Republik ausgerufen. Von 1979 bis 2003 wurde das Land von Saddam Hussein diktatorisch regiert. Nach seinem Sturz kam es während der Besetzung des Iraks (2003-2011) zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, tausenden Terroranschlägen, Kriegshandlungen und Gewaltkriminalität, sowohl verschiedener irakischer Gruppen gegeneinander als auch gegen die westlichen Besatzungstruppen. Im Dezember 2013 kam es zu einem Krieg zwischen dem Irak und Islamisten des IS, die Teile des Staatsgebietes eroberten. Erst Ende 2017 konnte die irakische Armee die islamistisch beherrschen Gebiete wieder zurückerobern. Heute gehört zu den fünf größten Ländern der arabischen Welt. Seine Hauptstadt ist die Metropole Bagdad. Er umfasst den größten Teil des zwischen Euphrat und Tigris gelegenen "Zweistromlandes" Mesopotamien, in dem die frühen Hochkulturen Vorderasiens entstanden sind, sowie Teile der angrenzenden Wüsten- und Bergregionen. Den Norden des Landes bildet die autonome Region Kurdistan, die über ein ein eigenes Parlament und eigene Streitkräfte (Peschmerga) verfügt.

Der Iran in Vorderasien gehört zu den 20 bevölkerungsreichsten und größten Staaten der Welt. Hauptstadt des Landes ist Teheran. Der Landesname bedeutet "Land der Arier". Lange Zeit war auch der Name Persien gebräuchlich. Er leitet sich von der Landschaft der "Persis" in der heutigen Provinz Fars ab. Um 550 begründete Kyros II. der Große mit dem Altpersischen Reich das erste Weltreich der Geschichte, dass von Alexander dem Großen erobert wurde. Nach mongolischer und türkischer Herrschaft entstand im 18. Jahrhundert ein neues persisches Kaiserreich. Im Jahre 1979 wurde mit dem Sturz des Schahs die Islamische Republik begründet.

Israel liegt im Nahen Osten und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Der Landesname bedeutet "Gottesstreiter" und ist bereits 1211 vor Christus belegt. Nach biblischer Überlieferung schuf David bereits um 1000 vor Christus das Königreich Israel mit der Hauptstadt Jerusalem. Nach dem gescheiterten Bar-Kochba-Aufstand im Jahre 135 wurden die Juden in alle Welt verstreut. 1948 wurde der heutige Staat Israel als parlamentarische Demokratie gegründet. In der Folgezeit kam es wiederholt zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den arabischen Nachbarn. Dabei ist der Konflikt mit den Palästinensern bis heute ungelöst. Rund 77 Prozent der Bevölkerung bekennt sich zum Judentum.

Der Jemen ist eine islamische Präsidialrepublik im Südwesten der Arabischen Halbinsel. Hauptstadt des Landes ist Sana'a. Etwa 97 Prozent der Jemeniten sind Araber, der Islam ist die Staatsreligion. Bereits im 2. vorchristlichen Jahrtausend war das Gebiet das politische und kulturelle Zentrum Arabiens und Drehscheibe für den Fernhandel zwischen Ostafrika, Indien und dem Mittelmeerraum. Nach persischer und osmanischer Herrschaft wurde der Südjemen Teil der britischen Kolonialreiches, während im Nordjemen die Imame der Zaiditen regierten. Auch nach dem Abzug der Briten 1967 blieb der Jemen bis 1990 in zwei Staaten geteilt.

Jordanien ist eine konstitutionelle Monarchie im Nahen Osten mit der Hauptstadt Amman. Seit 1999 steht König Abdullah II. an der Spitze des Haschemitischen Königreiches. Nach der Herrschaft der Römer und der Byzantiner gehörte Jordanien zunächst zum Reich der ägyptischen Mameluken - 1516 wurde es Teil des Osmanischen Reiches. 1920 wurde Jordanien Teil des britischen Mandatsgebietes Palästina. Seit 1946 ist Jordanien unabhängig. Während des Sechs-Tage-Krieges 1967 verlor Jordanien mit dem Westjordanland seine gesamten palästinensischen Gebiete an Israel.

Der Golfstaat Katar auf der arabischen Halbinsel gehört geografisch zwar zu den kleineren Staaten, gewinnt aber politisch und wirtschaftlich zunehmend an Bedeutung. Große Vorkommen an Erdöl und Erdgas, die weltweit exportiert werden, machen das Emirat zu einem der reichsten Länder der Welt. Zudem hat Katar in jüngster Zeit seine Beteiligungen an europäischen Unternehmen deutlich ausgebaut. So besitzt das Land unter anderem Anteile am VW-Konzern, am deutschen Bauriesen Hochtief oder am französischen Gas- und Ölkonzern Total. Zudem revolutionierte der Nachrichtensender Al Jazeera mit Sitz in der Hauptstadt Doha die arabische Medienlandschaft.

Der Libanon ist eine parlamentarische Republik im Nahen Osten und gehört zu den Maschrek-Staaten. Hauptstadt des Landes ist Beirut. In der Geschichte stand das Land unter der Herrschaft der Phönizier, Griechen, Römer, Araber, Kreuzfahrer und Osmanen. Im Jahre 1920 wurde der Libanon ein Mandat Frankreichs. 1941 wurde der Libanon unabhängig - vier Jahre später war er Gründungsmitglied der Vereinten Nationen. Zwischen 1975 und 1990 wurde das Land von einem Bürgerkrieg heimgesucht, der etwa 90.000 Todesopfer forderte. Im Sommer 2006 kam es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah.

Das Sultanat Oman ist eine absolute Monarchie im Südosten der arabischen Halbinsel. Hauptstadt des Landes ist Maskat. Staatsoberhaupt und Regierungschef des Landes ist der Sultan - die Rechtsprechung des Landes erfolgt nach islamischem Recht. Der Islam wiederum ist die dominierende Religion Omans, andere Religionen werden jedoch geduldet. Nach 1798 geriet das Sultanat zunehmend unter britischen Einfluss - 1891 wurde Oman schließlich ein britisches Protektorat. Seit 1971 ist das Land unabhängig. Seit den 1960er-Jahren ist die Wirtschaft auf den Export von Erdöl ausgerichtet.

Der Staat Palästina liegt im Nahen Osten zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan. Geographisch gehören sie zum Maschrek. Sie umfassen Gazastreifen und 40 Prozent des Westjordanlandes - die provisorischen Hauptstädte sind Gaza und Ramallah. Die Gebiete gehören völkerrechtlich zu Israel und werden von der Mehrzahl der Staaten politisch und geographisch nur eingeschränkt anerkannt. Nominell werden die Regierungsfunktionen von der Palästinensischen Autonomiebehörde wahrgenommen. Seit 2012 hat Palästina einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen (UNO).

Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie in Vorderasien, die sich auf den Islam als Staatsreligion beruft. Das Land liegt auf der Arabischen Halbinsel und beheimatet die beiden heiligsten Stätten des Islam - die Kaaba in Mekka und die Ruhestätte Mohammeds in Medina. Die Religion spielt eine große Rolle in Saudi-Arabien, dass als besonders strenggläubig und islamisch-konservativ gilt. Das Königreich Saudi-Arabien mit der Hauptstadt Riad wurde 1932 proklamiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg das Land zum wichtigsten Erdöllieferanten der Welt auf, womit der rasche wirtschaftliche Aufschwung einherging.

Syrien ist eine präsidiale Republik im Nahen Osten und Teil des Maschrek. Hauptstadt des Landes ist Damaskus. Der Landesname stammt aus dem Griechischen vom antiken Assyrien. Im Laufe der Geschichte erlebte Syrien zahlreiche Herrscher - von den Assyrern über Griechen, Römer und Osmanen bis zu den Franzosen. Seit 1946 ist Syrien unabhängig und war in der Folgezeit durch politische Instabilität gekennzeichnet. Nach seiner Wahl zum Präsidenten 1970 etablierte Hafiz al-Assad ein diktatorisches Regime, an dem sein Sohn und Nachfolger Baschar al-Assad weiter festhält. Im Zuge der Proteste in der arabischen Welt kam es 2011 zu Protesten gegen das Regime, der schließlich in einen bis heute andauernden Bürgerkrieg mündete.

Die Türkei erstreckt sich über zwei Kontinente hinweg, wobei etwa 97 Prozent des Landes in Asien liegen - den europäischen Teil bildet das östliche Thrakien. Die Türkei ist der Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches und heute eine laizistische Republik, die 1923 von Mustafa Kemal Atatürk begründet wurde. Die Geschichte des Landes reicht bis in die frühe Antike zurück. Hier lebten Hethiter, Armenier, Griechen und Perser - es war Teil des Römischen Reiches und gehörte ab dem 4. Jahrhundert zum Byzantinischen Reich. Erst im 11. Jahrhundert ließen sich hier endgültig die türkischstämmigen Seldschuken nieder.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) liegen auf der Arabischen Halbinsel und wurden 1971 gegründet. Das Land ist ein Bundesstaat, bestehend aus sieben Emiraten. Hauptstadt des Landes ist Abu Dhabi. Die Emirate wurden im 18. Jahrhundert gegründet und gerieten bald unter britische Herrschaft. Heute liegt der Urbanisierungsgrad des Landes bei etwa 85 Prozent - einem der höchsten der Welt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es keine politischen Parteien, Wahlen und Gewerkschaften. Zudem existiert keine strikte Gewaltenteilung. Haupteinkommen des Landes sind die Erdöl- und Gasvorkommen im Emirat Abu Dhabi.

 
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