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Florian Gerster - ein neuer Sozialreformer?

Quelle: Bild von andreas160578 auf Pixabay

Immer öfter kann ZDF-Moderatorin Petra Gerster in den "heute"-Nachrichten auch etwas über ihren älteren Bruder berichten. Florian Gerster, Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit in Rheinland-Pfalz - ist den Insidern bereits seit Jahren als einer der wichtigsten arbeits- und sozialpolitischen Vor- und Hintergrunddenker des Landes bekannt. Mit seinem "Mainzer Modell für Beschäftigung und Familienförderung" hat sich der SPD-Politiker bundesweit in der Arbeitsmarktpolitik profiliert.

Zuletzt war Gerster - der sich auch als Verteidigungsexperte einen Namen machte - in Berlin sogar für mehrere Ministerposten im Gespräch. Nun sollte der Arbeitspolitiker als neuer Behördenchef die Bundesanstalt für Arbeit (BA) reformieren, die seit dem Skandal um geschönte Vermittlungszahlen tief in der Krise ist. So könne die neue "Bundesagentur" langfristig mit der Hälfte des heutigen Personals auskommen, "wenn die Bundesanstalt von sachfremden Leistungen entlastet wird", sagte Gerster gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Insbesondere mit seinem Vorschlag, älteren Erwerbslosen das Arbeitslosengeld zu kürzen, machte er sich aber auch in den eigenen Reihen nicht nur Freunde.

Vorschläge lösen heftige Reaktionen aus

Der IG-Metall-Bundesvorsitzende Klaus Zwickel kritisierte das Vorgehen des SPD-Politikers als "Rambo-Methoden". "Wer in die Debatte mit dem Rotstift einsteigt, schafft Reformblockaden", ereiferte sich der Gewerkschafter. Auch Walter Hirrlinger, Präsident des Sozialverbandes VdK, kritisierte Gersters Vorschläge als "eine Unverschämtheit" gegenüber älteren Arbeitslosen. Die rheinland-pfälzischen Liberalen wollen dem neuen BA-Chef jedoch "Flankenschutz geben, wenn ihn rote, grüne und gewerkschaftlich organisierte Steinzeitsozialisten mit der Keule Besitzstandswahrung attackieren wollen", sagte der FDP-Landesvorsitzende Rainer Brüderle. Auch die Arbeitgeber unterstützten Gerster. Dessen Äußerungen zeigten, "warum er der richtige Mann an dieser Stelle ist", meinte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände Reinhard Göhner. Aus den eigenen Reihen erhielt Gerster Schützenhilfe vom nordrhein-westfälischen Arbeitsminister Harald Schartau. So sei zwar verständlich, dass der Vorschlag "in dieser verkürzten Form fast jeden auf die Palme bringt". Doch werde übersehen, dass verstärkt zu Beginn der Arbeitslosigkeit investiert werden solle, meinte der SPD-Minister.

Gerster: Ein Sonderfall in der SPD

Florian Gerster wurde am 7. Mai 1949 als Sohn eines angesehenen Arztes in Worms geboren. Nach seinem Abitur (1968) und Wehrdienst studierte er von 1970 bis 1975 Psychologie und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Seit 1966 ist der Diplom-Psychologe Mitglied der SPD, wo er als Sonderfall gilt. Denn sein Vater - ein aktiver FDP-Kommunalpolitiker - hat ihm sicherlich nicht den Weg in die Sozialdemokratie gewiesen. Den traditionellen Sinn für sozialdemokratische Hausmachtstrukturen, für Stallgeruch und Genossensolidarität, hat er sich dennoch erworben. Und trotzdem: als Gerster vor einigen Jahren in seinem Ministerium den Posten eines Staatssekretärs neu zu besetzen hatte, setzte er sich gegen die Begehrlichkeiten der eigenen Fraktion durch und berief einen Fachbeamten, der auch heute noch sein wichtigster politischer Mitstreiter ist.

Ruf eines kühlen und ehrgeizigen Politikers

Seine politische Karriere begann Gerster - der zehn Jahre lang als freiberuflicher Peronalberater tätig war - 1974 als Stadtrat in seiner Heimatstadt. 1987 zog er in den Deutschen Bundestag ein, bevor er schließlich 1991 in Mainz als Minister der sozialliberalen Regierung für Bundes- und Europaangelegenheiten zuständig wurde. Seit 1994 ist der Oberstleutnant der Reserve Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit. In dieser Zeit erwarb sich Gerster den Ruf eines kühlen, selbstbewussten und ehrgeizigen Politikers, der auch in hitzigen politischen Debatten oft noch Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Auch hasst er es, mit Journalisten in rauchigen Weinkneipen lockere Hintergrundgespräche zu führen. Besucher, die ihn nicht elegant gekleidet und vor einem aufgeräumten, aktenleeren Schreibtisch finden, sind eher selten.

Mahner für eine Reform des Sozialstaates

In den vergangenen Jahren mahnte der profilierte Sozialpolitiker wiederholt eine Reform des Sozialstaates an und kritisierte dabei auch häufig seine eigene Partei. So forderte er beispielsweise in seinem Buch "Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Gewinner und Verlierer des Sozialstaates" einen neuen Grundkonsens, um den Sozialstaat umzubauen. Dabei müsse die Eigenverantwortung des Einzelnen einen höheren Stellenwert bekommen als bisher, so Gerster.
Im letzten Jahr schlug er zudem eine Reform des Gesundheitswesens vor, die unter anderem Leistungskürzungen für die Versicherten vorsah. Zudem sollte auch die ärztliche Selbstverwaltung entmachtet werden, da nur so die Beiträge bezahlbar bleiben könnten. Mit diesen Vorschlägen stieß der stellvertretende rheinland-pfälzische SPD-Landesvorsitzende jedoch nicht nur in seiner eigenen Partei auf Beifall.

Erfinder des "Mainzer Kombilohn-Modells"

Spätestens mit seinem "Mainzer Kombilohn-Modell" erhielt Gerster auch bundesweite Aufmerksamkeit. Dieses Modell sieht vor, dass Langzeitarbeitslose und Alleinerziehende auch niedrig bezahlte Jobs annehmen, anstatt weiterhin Arbeits- und Sozialhilfe zu beziehen. Und damit hat der Vorsitzende des SPD-Bezirks Rheinhessen unlängst einen bedeutenden bundespolitischen Sieg errungen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) - derzeit in argen arbeitsmarktpolitischen Nöten - dehnte das Mainzer Modell auf das gesamte Bundesgebiet aus. Dies bestätige die Rolle von Rheinland-Pfalz "als Modellschmiede der deutschen Sozialpolitik" verkündete Gerster stolz im Mainzer Landtag.

Auch sonst scheinen sich Schröder und Gerster durchaus zu schätzen. So blieb der Kanzler im rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf 2001 immerhin einen ganzen Tag in Gersters Wahlkreis. Schon da machte Schröder keinen Hehl aus seiner Sympathie für den Parteifreund. Und auch Gerster verbirgt nicht, wo er steht: "Als sich Gerhard Schröder damals gegen Oskar Lafontaine durchsetzte, habe ich tief durchgeatmet."

Eigene Akzente - kein Erfolg

Im neuen Amt gelang es Gerster rasch, neue Akzente zu setzen. So erarbeitete er neue Konzepte, um die Vermittlung zu flexibilisieren und wandelte die Bundesanstalt für Arbeit in eine Bundesagentur um. Ein durchschlagender Erfolg hatte sich jedoch nicht eingestellt. Mit 4,376 Millionen erreichte die Arbeitslosenzahl 2003 ihren höchsten Stand seit 1997.

Auch sonst musste der SPD-Politiker immer wieder Schelte wegen angeblicher Verschwendung einstecken. So sah er sich dem Vorwurf der Luxussanierung seines Büros ausgesetzt und geriet wegen - bald dementierten - Berichten über angeblich unnötige Dienstwagen in die Schlagzeilen. Zu seinem Negativ-Image trugen auch dazu bei, dass Gerster in einem Nobel-Hotel in Nürnberg residierte, anstatt sich eine Wohnung zu mieten und dass er mit 250.000 Euro Jahresgehalt doppelt so viel verdiente, wie sein Vorgänger. Sein Image als arroganter Reformer hatte sich schließlich so verfestigt, dass Gerster bald keine Rückendeckung erhielt und es letztlich einsam um ihn wurde.

Kurzinfo: Die Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist die Verwaltungsträgerin der Arbeitslosenversicherung in Deutschland. Sie wurde am 16. Juli 1927 gegründet und hat ihren Sitz in Nürnberg. Mit etwa 113.000 Mitarbeitern ist die Bundesagentur die größte Behörde in Deutschland und einer der größten Arbeitsgeber des Bundes. Die Dienststellen der BA auf regionaler Ebene werden als "Regionaldirektionen" bezeichnet. Die Behörde untersteht der Rechtsaufsicht des Bundesarbeitsministeriums.

Zu den wichtigsten Leistungen der BA gehören die Sozialleistungen am Arbeitsmarkt, insbesondere die Leistungen der Arbeitsvermittlung und -förderung. Hinzu kommen finanzielle Entgeltersatzleistungen wie das Arbeitslosengeld. Zu den besonderen Dienststellen gehört auch die Familienkasse: Diese Einrichtung führt den steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem Einkommensteuerrecht durch und berechnet den Kinderzuschlag nach § 6 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG).

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