Tobias Daniel M.A.

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DKM 2023 im Zeichen von Demografie und Personalmangel

Leitmesse DKM 2023 in Dortmund. Quelle: Tobias Daniel M.A.

Die herkömmliche Leitmesse, wie sie die Versicherungsbranche noch aus der Zeit vor der Corona-Pandemie kannte, scheint Geschichte zu sein. Das Format wurde von bislang zwei vollen Tagen - einschließlich vorabendlicher Beschnupperungsparty auf anderthalb Tage zusammengestutzt.  Die Gründe dürfte - mutmaßlich - vielfältig sein. Ein Grund dürfte wohl im hybriden Konzept liegen, welches manch bisherigem Leitmessen-Stammgast eine persönliche Teilnahme überflüssig machen lässt. Ein weiterer Grund dürften wohl auch Kostengründe sein.

Eine weitere Erkenntnis: Bombastische Messestände aus Zeiten vor Corona scheinen augenscheinlich ebenfalls der Vergangenheit anzugehören. Auffällig ist vielmehr eine neue Form von "Bescheidenheit" - einhergehend mit einem deutlichen Anstrich von Nachhaltigkeit. Die Farbe Grün entwickelte sich zur neuen Trendfarbe der Versicherer. Vor allem die Allianz glänzte mit einem wahren Meer von grünen Blättern. Der Stand des Volkswohlbundes erinnerte fast schon an den Stand eines landwirtschaftlichen Agrarbetriebes - gespickt mit Bäumen und passend zur Jahreszeit mit einem einladenden Korb Kürbissen.

Manch Regionalversicherer machte dabei aus seiner geografischen Heimat keinen Hehl. Während die Canada Life eine Spur von Indian Summer der kanadischen Ahornwälder aufkommen ließ, versprühte die Präsenz der Bayerischen den Charme eines Münchener Biergartens. Vom Schweizer Ambiente der Swiss Life übrigens mal ganz abgesehen.

Der grüne Anstrich entspricht jedenfalls der Philosophie der Branche, das Thema Nachhaltigkeit als eines der zentralen Zukunftsthemen erkannt zu haben. "Nachhaltigkeit ist die größte Herausforderung für die Menschheit. Die Stellschrauben für den Wandel müssen jetzt gestellt werden", konstatierte Gothaer-Chef Oliver Schoeller im Rahmen einer Diskussionsrunde. Allerdings honorierte der Regulator "nur nachhaltige Investitionen, aber nicht die transformierenden Investments", so seine Kritik.

Deutlich ausgeprägter in der Branchen-Wahrnehmung scheinen hingegen vor allem die Folgen des demografischen Wandels und des drohenden Fachkräftemangels zu sein. "Durch die demografische Macht verändern sich Bedürfnisse und es entstehen neue Bedürfnisse", betonte Allianz-Vorstand Thomas Wiesemann im Rahmen einer Diskussionsrunde. "Wir alle werden älter und bleiben länger gesund. Dies ist der gute Teil des demografischen Wandels", ergänzte der Bayerische-Vorstand Martin Gräfer und machte sich dabei vor allem für ein bislang eher totgeglaubtes Produkt stark: "Wenn es die Lebensversicherung nicht gäbe, müsse sie jetzt erfunden werden." Seine Forderung an die Politik: "Um sparen zu können, müssen die Bürger steuerlich entlastet werden." Zudem habe die Branche die Magie der Altersvorsorge im Alter verlernt. So würden die Versicherer den Fokus zu sehr auf die Ansparphase legen.

Einen etwas anderen Fokus bringt hingegen Stephanie Frey, Geschäftsführende Inhaberin der Walter Frey Assekuranz-Makler GmbH, ins Spiel. "Der demografische Wandel trifft uns vor allem in der Personalgewinnung und weniger im Kundengeschäft, da der Fokus vor allem auf dem Gewerbe- und Industriekundengeschäft liegt."

Impressionen von der DKM 2023 in Dortmund (Quelle: Tobias Daniel M.A.)

Die Suche nach dem "Supertalent"

Praktisch einhergehend mit dem Umgang mit einer alternden Gesellschaft geht für Branche - wie übrigens andere Wirtschaftszweige auch - die Frage nach neuen Nachwuchskräften einher. Dabei gehe es vor allem um die Frage: "Wie kann ich den Unterschied machen zu anderen Arbeitgebern", betont Wiesemann. Dabei seien vor allem "Aktuare, Juristen und IT-Fachkräfte die drei Gruppen, auf die wir uns fokussieren". Im Fokus gehe es für die Allianz vor allem darum, die Attraktivität des Arbeitgebers zu steigern und das Recruiting zu stärken. Zudem habe die "Komplexität unseres Geschäftes in den letzten Jahren zugenommen und wir brauchen den Menschen, um komplexe Fälle zu lösen."

Für den Bayerische-Vorstand Gräfer kommt es dabei nicht allein auf den Schulabschluss an: "Wir bieten auch Leuten eine Chance, die kein Abitur haben", betonte der Manager und wies darauf hin, dass der bayerische Versicherer vor allem einen großen Zulauf von Bewerbern mit mittlerer Reife verzeichne. Gleichzeitig sehe er im Zuzug nach Deutschland auch "eine Chance für den Vertrieb", aber auch eine "Belastung für die Sozialsysteme". Daher sei die Politik entsprechend gefordert, die Migration nach Deutschland zu regeln und zu steuern. Für den SDK-Vorstandssprecher Ralf Mitzlaff könnte zudem die "Digitalisierung ein Gamechanger sein". Allerdings werde diese "uns aber nicht bei der Nachwuchsgewinnung helfen. Vielmehr müsse dem Arbeitnehmer die Angst genommen werden, wegrationalisiert zu werden." Versicherungsmaklerin Frey brachte es schließlich auf den Punkt: "Man muss es schaffen, die Mitarbeiter zu begeistern."

Dabei sei die "Attraktivität der Häuser essenziell. Deswegen ist auch die Fusion mit der Barmenia so spannend, weil wir damit an Ansehen gewinnen", konstatiert Gothaer-CEO Schoeller. Gleichzeitig hadert der Gothaer-Chef mit dem weiterhin schlechten Image der Branche: "Die Branche hat in den letzten Jahren gelitten und ich weiß nicht warum." Eine Debatte, die übrigens auch Axa-Manager Schumacher "ziemlich schräg" findet. Fast schon müßig zu erwähnen, dass der persönliche Vertrieb für die Versicherungsmanager auch weiterhin ein hohes Gut darzustellen scheint. Daran dürfte auch die künstliche Intelligenz (KI) wohl nichts ändern. "Von KI erwarten wir hohe Chancen. Die Frage ist, wo wir sie einsetzen", betont Barmenia-CEO Andreas Eurich. 

"KI wird alles verändern. KI ist nun in der Lage, Inhalte zu analysieren und neue Inhalte zu produzieren. Dies ist so gigantisch, was an Potenzial auf uns zukommt und dies wird uns immens verändern", ergänzt Schoeller. Eine weitere Erkenntnis für den Gothaer-Chef: "Unsere zukünftigen Kunden werden so erzogen, dass sie alles sofort bekommen. Wir können es uns nicht leisten, diesem Anspruch nicht zu genügen. Deshalb sind Daten so wichtig."

Ein paar Traditionen haben die Zeiten dennoch überstanden. Neben dem obligatorischen Ausflug in die Welt des Fußballs mit Star-Schiedsrichter Deniz Aytekin versuchte sich der ehemalige CSU-Politiker und Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg binnen 45 Minuten einen geopolitischen Rundumschlag zu wagen.

Sein mittlerweile zurückgegebener Doktortitel dürfte bei seiner schonungslosen Einschätzung der aktuellen weltpolitischen Lage wohl auch gar nicht nötig gewesen zu sein. "Wir haben Krisen, Krisen, Krisen und beim Aufstehen fragt man sich manchmal: Was für eine Sch … Welt", brachte es Guttenberg gleich ziemlich präzise auf den Punkt. So habe sich die Hoffnung auf einen Siegeszug der liberalen Demokratie nach dem Ende des Kalten Krieges ziemlich schnell als "Illusion" erwiesen. 

Von einer neuen Weltordnung könne für den früheren Verteidigungspolitiker daher keine Rede sein - vielmehr von einer "Weltunordnung". Von einer "neuen Bipolarität" mit den USA und China wollte er dennoch nicht sprechen. Vielmehr sei man "in eine multipolare Welt gerückt, mit neuen aufstrebenden Akteuren". Als Beispiele nannte er unter anderem Indien, Indonesien oder Brasilien - "die Liste lässt sich fortführen".

Auch die Rolle der Vereinten Nationen scheint zu Guttenberg sichtlich Schmerzen zu bereiten. So sei aus der UNO mit Blick auf die aktuelle Weltordnung aus einem "stabilen Dach ein morsches Gerüst geworden. Es fault an vielen Ecken und Enden". Gleichzeitig würden neue Staatenbündnisse wie BRICS an Bedeutung gewinnen." Es bilden sich neue Zusammenschlüsse, die sich nicht mehr so romantisch verklären lassen, wie nach 1945", betonte zu Guttenberg. Die Weltkarte hinter zu Guttenberg war daher auch ein gutes Symbol für die aktuelle Lage in der internationalen Politik: Die Schachfiguren auf den USA, Russland, China und Brasilien spiegelt die neuen globalen Machtverhältnisse schon recht gut wider. Welche Figuren noch dazu kommen, wird die Zeit erweisen.

Die Versicherer selbst sind dabei zwar nur eine Figur, deren Rolle die Branche aber durchaus mit einem großen Selbstvertrauen wahrnimmt: "Wir sind das Rückgrat der Gesellschaft. Niemand geht aus dem Haus ohne eine Versicherung", gab sich Gothaer-Chef Scholler daher selbstbewusst. Fast schon erschreckende Einigkeit herrscht in den Unternehmensetagen daher in der Erkenntnis, die aktuellen Herausforderungen durch eine alternde Gesellschaft und den wachsenden Fachkräftemangel anzunehmen.

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