Medienschaffende werden immer häufiger zum Feindbild
Die Ausübung ihres Berufes wird für Journalisten zunehmend zur Gefahr. Laut einem aktuellen Bericht des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) wurden 2024 insgesamt 361 Medienschaffende (2023: 337) in Ausübung ihres Berufes inhaftiert. Damit liegt das letzte Jahr nur knapp unter dem Rekordwert von 2002 (369 Medienschaffende).
Die meisten inhaftierten Journalisten saßen 2024 laut ECPMF in einem chinesischen Gefängnis (50 Personen), gefolgt von Israel und den okkupierten palästinensischen Gebieten mit rund 43 inhaftieren Pressevertretern. Dort habe sich die Pressefreiheit mit dem wieder aufflammenden Konflikt noch einmal deutlich verschlechtert.
Quelle: Statista
Zudem registrierte das ECPMF 2024 insgesamt 98 Angriffe auf Medienschaffende. Im Vergleich zum Vorjahr entspreche dies einem Anstieg von 29. Demnach seien mindestens 114 Mitarbeiter der Produktion, Medienschaffende oder Sicherheitskräfte von persönlichen Attacken betroffen gewesen.
Darüber hinaus registrierten die Experten einen Anstieg bei den generellen Verletzungen der Pressefreiheit. Diese seien besonders häufig im Bezug zur AfD verletzt: 2024 wurden insgesamt 35 Fälle registriert. Vor allem die Verweigerung von Akkreditierungen werde immer häufiger genutzt, um Journalist und Medien auf Distanz zu halten.
Quelle: Statista
Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen wurden allein in Deutschland im gleichen Zeitraum insgesamt 89 Attacken auf Medienschaffende und Medienhäuser verzeichnet - davon waren 75 körperliche Attacken. Zum Vergleich: 2023 waren es "nur" 41 Attacken. Ein Brennpunkt für körperliche Gewalt gegenüber Journalisten war vor allem Berlin, wo sich 49 der bundesweit dokumentierten Fälle ereigneten. Die meisten Übergriffe zählte RSF am Rande von Nahost-Demonstrationen.
"Viele Bürgerinnen und Bürger betrachten Medienschaffende mittlerweile als Feinde. Es ist die Aufgabe von Medienhäusern und Politik, das Vertrauen in die 'vierte Gewalt' wiederherzustellen. Die neue Regierung muss wichtige medienpolitische Vorhaben so schnell wie möglich umsetzen, um Journalistinnen und Journalisten besser vor populistischen Angriffen zu schützen und sich Desinformation und Propaganda entgegenzustemmen."
Katharina Viktoria Weiß, RSF-Referentin für Deutschland und Co-Autorin der Nahaufnahme 2025
Zudem verzeichnete RSF laut der jüngsten Nahaufnahme im Jahr 2024 bundesweit 21 Attacken am Rande von rechtsextremen sowie verschwörungstheoretischen Versammlungen. Allerdings sei die Dunkelziffer noch deutlich höher. Allerdings seien auch die Konflikte in den einzelnen Redaktionen gestiegen. Vor allem nach dem 7. Oktober 2023 sei RSF immer wieder von einem stark verengten Meinungskorridor bei der Arbeit zu Israel und Palästina berichtet worden.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland laut RSF nur noch auf Platz elf von 180 Staaten. Demnach würden sich viele Medienschaffende zunehmend in einem feindlichen Umfeld bewegen. Vor allem Journalisten, die sich mit rechtsextremen Milieus und Parteien wie der AfD beschäftigte, berichten von Feindmarkierungen, Bedrohungen, Beleidigungen und Angst vor körperlicher Gewalt.
Zudem habe sich auch auf redaktioneller Ebene das Klima verschärft. So habe RSF zahlreiche Fälle dokumentierte, in denen Medienschaffende über unverhältnismäßig hohe Hürden bei der Berichterstattung zum Nahostkonflikt berichteten. Daneben habe sich auch die wirtschaftliche Situation für Medienhäuser in Deutschland in den vergangenen Jahren spürbar verschlechtert.
Global betrachtet hat die Pressefreiheit einen neuen Tiefstand erreicht. In 90 der 180 Länder sei die Situation für Medienschaffende "schwierig" oder "sehr ernst". Laut RSF habe sei neben einer fragilen Sicherheitslage und zunehmendem Autoritarismus vor allem der ökonomische Druck für die aktuelle Situation verantwortlich.
"Autokraten ist unabhängiger Journalismus ein Dorn im Auge. Das wirkt sich auch auf die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit aus. Wenn Medien finanziell ausgetrocknet werden, wer deckt dann Falschinformationen, Desinformation und Propaganda auf? Neben unserem täglichen Kampf für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten setzen wir uns deshalb auch für eine Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen des Journalismus ein."
Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF)
So würden die RSF-Daten zeigen, dass die Medien in 160 von 180 beobachteten Ländern und Territorien nur "mit Schwierigkeiten" oder "überhaupt nicht" stabil wirtschaften können. In 46 Staaten konzentriere sich Medienbesitz in den Händen weniger Eigentümer. So werde in Russland die Medienlandschaft entweder vom Kreml oder von Kreml-nahen Oligarchen kontrolliert.
Zudem mussten laut RSF im Jahr 2024 in etwa einem Drittel der Länder die Redaktionen aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Dabei sei der wirtschaftlichen Schieflage oftmals auch extremer Druck durch die Behörden vorausgegangen. Die gefährlichste Region weltweit für Medienschaffende bleibt die Region Naher Osten und Nordafrika. In Gaza wurden fast 200 Journalistinnen und Journalisten bei Angriffen der israelischen Armee getötet, fast 50 im Zusammenhang mit ihrer Arbeit.
Quelle: Statista
Als positives Beispiel für die Pressefreiheit gelten nach Angaben von RSF die Länder Norwegen und Estland. Dort würden Medienschaffende von stabilen demokratischen Strukturen, einer hohen gesellschaftlichen Wertschätzung unabhängiger Medien und einem starken rechtlichen Schutz der Pressefreiheit profitieren. Außerdem würden beide Staaten über ein effektives Auskunftsrecht verfügen, das journalistische Recherchen erheblich erleichtert.
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